Deutsche Post AG Briefzustellung in Berlin, 2006UPS AirlinesPostbank Centerfiliale Berlin-Charlottenburg, Goethestr. 2-3, 2006PIN Briefzustellung in Leipzig, 2005DHL Paketzustellung, Post in neuem DHL-Design, 1.4.2003Deutsche Telekom, Gebäudekennung, Digi Park Flughafen Köln/Bonn, 2006Vodafone Gebäude Am Seestern Düsseldorf, 2004

Post und Telekommunikation

Der Gastbeitrag

Das folgende Interview war in der Zeitschrift der Deutschen Post DHL POSTFORUM, Ausgabe Juli/August 2014, veröffentlicht. Mit freundlicher Zustimmung der Redaktion - Alexander Rometsch-Steinmann - wird das Interview Bestandteil dieser Dokumentation. Die Fotos stammen von © Stefan Abtmeyer, fish in heaven, Damelack, der dankenswerterweise ebenfalls der Veröffentlichung in dieser Dokumentation zugestimmt hat.

Das Interview ergänzen die Bundestagsprotokolle mit der 1. - 3. Beratung des Poststrukturgesetzes von 1988/1989, das Protokoll 12/28 vom 6. Juni 1991 mit der im Interview erwähnten Rede von Arne Börnsen und die Bundestagsprotokolle mit der 1. bis 3 Beratung des Postneuordnungsgesetzes von 1994.

Vor den Protokollauszügen finden Sie Download-Links zu den vollständigen Protokollen und weiteren Bundestagsdokumenten zur Postreform.

Christian Schwarz-Schilling, Arne Börnsen

Christian Schwarz-Schilling (CDU), Jahrgang 1930, Unternehmer, war 1976 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages und 1982 bis 1992 Bundespostminister. Heute kümmert er sich u. a. als Ehrenpräsident des Berliner Zentrums für integrative Mediation um Menschen aus Südosteuropa. Arne Börnsen (SPD), Jahrgang 1944, Schiffbauingenieur, war 1980 bis 1983 und 1987 bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages und 1987 bis 1992 postpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Heute betreibt er die Firma AB Consulting in Berlin.
Stand 2014
Fotos: © Stefan Abtmeyer, fish in heaven, Damelack

25 Jahre Postreform
„Wir haben ein günstiges Zeitfenster genutzt”
Interview mit Christian Schwarz-Schilling und Arne Börnsen

Juli 2014

Vor 25 Jahren trat die erste Postreform in Kraft. Die Verhandlungsführer von damals, der damalige Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, ab 1989 Bundesminister für Post und Telekommunikation Christian Schwarz-Schilling (CDU) und Arne Börnsen (SPD), erinnern sich.

 Postforum:  Wenn Sie heute die Situation auf dem deutschen Postmarkt betrachten: Entspricht das dem, was Sie vor 25 Jahren mit der ersten Stufe der Postreform erreichen wollten?

Von einigen Kleinigkeiten abgesehen, würde ich heute sagen, dass es eine der gelungensten Reformen war, die ich aus der Geschichte des Deutschen Bundestages kenne. Versuche sind seit den 1960er-Jahren immer wieder unternommen worden. Dann haben wir einen neuen Anfang gewagt und der ist gelungen. Um es gleich zu sagen: Das eigentliche Wunder dabei ist der Erfolg der gelben Post. Es galt zunächst als ausgeschlossen, dass man sie in ein privates Management überführen könnte. Ohne die Subventionierung aus dem Telekommunikationsbereich werde das alles scheitern, hieß es. Ich war schon immer anderer Meinung und habe dann nicht nur die Telekom abgetrennt, sondem auch die Postbank. Ich bin noch heute mit dem, was wir damals begonnen haben, absolut zufrieden.

Börnsen: In den letzten 25 fahren hat sich natürlich wesentlich mehr entwickelt als wir damals erwartet hatten. Es gab erhebliche Zweifel, ob man das mit der Beseitigung des Defizits bei der gelben Post hinbekommen könnte. Das war auch der Grund dafür, dass viele die für eine Reform bei Telekommunikation aufgescblossen waren, einer Veränderung bei der Post skeptisch gegenüber standen. Sie hielten das jährliche Defizit von 2 Milliarden Mark für quasi naturgegeben und meinten, ohne die Quersubventionierung von der grauen Post werde die gelbe Post nicht mehr existieren können. Das Risiko, das wir damals eingegangen sind, war also groß, aber am Ende sind - nachdem auch der Schritt in die Privatisierung vollzogen worden war - die Erwartungen übererfülllt worden. Es war also im Grundsatz eine richtige Entscheidung.

 Postforum:  Die aber erst nach erheblichen Widerständen zustande gekommen war. Wie war das damals?

Schwarz-Schilling: Ja, ich hatte in meiner eigenen Fraktion damals große Widerstände. Man war nicht einverstanden, dass ich auch noch die Postbank abtrennen und zu einem eigenständigen Institut machen wollte.

Christian Schwarz-Schilling

Börnsen: Die Widerstände bei der SPD waren natürlich noch größer. Als ich selber 1987 in den Bundestag zurückgekehrt war und postpolitischer Sprecher wurde, war es Peter Glotz, der bis dahin SPD-Bundesgeschäftsführer war und nun in der Regierungskommission saß, der mich in ein Café einlud und mich 2 Stunden lang in die Hintergründe einweihte. Das hat mir geholfen, einen eigenen, von den Forderungen der Gewerkschaften unabhängigen Standpunkt zu entwickeln. Auf dieser Basis bin ich dann ins Gespräch mit Herrn Schwarz-Schilling gekommen. Die Zusage, dass die SPD sich beim Poststrukturgesetz wenigstens der Stimme enthalten würde, konnte ich aber leider nicht einlösen.

Schwarz-Schilling: Die Situation war schwierig, weil vor allem die Postgewerkschaft überhaupt nicht einlenken wollte. Ich war der Bösewicht, der die Post zerschlagen wollte, überall wurde gegen mich demonstriert. Und dann gab es einen Vorgang, der wenig bekannt geworden ist. Als ich im Mai 1988 die Gesetzesvorlage ins Kabinett einbringen wollte, versuchte dies die Deutsche Postgewerkschaft mit einer einstweiligen Verfiigung zu stoppen, was ein bis dahin einmaliger Vorgang war. Als das Kabinett zusammentrat, konnte ich eine Agenturmeldung verlesen, wonach das Gericht das Begehren der Postgewerkschaft abgewiesen habe. Wenn das Gesetz nicht zum 1. Juli 1989 in Kraft getreten wäre, also vor dem Zusammenbruch der DDR - wer weiß, was dann aus dem Vorhaben geworden wäre.

 Postforum:  Stimmt es, dass es ausgerechnet der Sozialdemokrat Arne Börnsen war, der nach der Bundestagswahl Druck machte, die nächsten Schritte zu gehen? Sie haben dann im Juni 1991 im Bundestag eine denkwürdige Rede gehalten, genauer gesagt zu Protokoll gegeben.

Börnsen: Es war nicht Druck, sondern die Erkenntnis, dass man, wenn man den 3 Unternehmen die notwendige Flexibilität gewähren wollte, eine private Rechtsform anstreben musste. Im Januar 1991 habe ich mich dann mit einigen Leuten zusammengesetzt, die mit mir der Überzeugung waren, dass die Reform von 1989 nicht ausreiche. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass sich die 3 öffentlichen Unternehmen gehindert sahen, sich im internationalen Geschäft zu entwickeln und deshalb eine Privatisierung die nächste Stufe sein müsse.

Arne Börnsen

Schwarz-Schilling: Ich habe ich erst Tage später den Beitrag meines Kollegen Arne Börnsen im Protokoll nachlesen können. Er stellte auch das öffentliche Dienstrecht in Frage. Das aber bedeutete eine Grundgesetzänderung, was die SPD bis dahin ausgeschlossen hatte. Ich habe daraufhin Arne Börnsen in meine Bonner Wohnung eingeladen, und an diesem Tag begann unsere Freundschaft. Ich musste nun erst einmal die Stimmung in meiner eigenen Partei sondieren. Also gab ich der Wirtschaftswoche ein Interview, das allerdings erst Ende Juli gedruckt wurde, aber dennoch seine Wirkung nicht verfehlte, denn ich sprach mich dafür aus, die Unternehmen von den Fesseln des öffentlichen Dienstrechts zu befreien und in Aktiengesellschaften umzuwandeln.

Die Reaktion blieb nicht aus. Im Urlaub erreichte mich die Nachricht, dass der postpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Gerhard O. Pfeffermann, erklärt habe, das Beamtenrecht stehe nicht in Frage und eine Grundgesetzänderung stehe nicht auf der Tägesordnung dieser Legislaturperiode. Dies könne er in ausdrücklichem Einvernehmen mit Bundeskanzler Kohl sagen.

 Postforum:  Und war das so?

Schwarz-Schilling: Nein. Ich habe sofort mit Kohls Vertrautem Eduard Ackermann telefoniert, der bei dem Gespräch anwesend gewesen war und der mir sagte, Kohl habe sich das nur angehört und gesagt, darüber müsse man reden. Abgelehnt habe er gar nichts. Stattdessen konnten wir nun eine neue Kommission unter Einbeziehung der SPD einsetzen.

 Postforum:  Der Pfefermann der SPD hieß Peter Paterna, der Vorsitznnde des Postausschusses, der klar auf Gewerkschaftslinie war. Kurt van Haaren, der Chef der Postgewerkschaft soll die Philosophie vertreten haben, Post müsse so wie Schule, Polizei oder Justiz eine hoheitliche Aufgabe bleiben...

Börnsen: Ja, das war seine Auffassung von Daseinsvorsorge. Ich habe, bevor ich die Rede im Bundestag formuliert habe, viele Gespräche im Hintergrund geführt, unter anderem mit meinem Fraktionworsitzenden Hans-Jochen Vogel. Der riet mir, mit der Gewerkschaft zu reden. Es kam zu einem Tieffen in Frankfurt, wo van Haaren und seine Leute mir und Telekom-Vorstand Gerd Tenzer,den ich mitgebracht hatte, aufmerksam zuhörten und nicht grundsätzlich widersprachen. Danach haben Vogel und sein Nachfolger Hans-Ulrich Klose meine Bemühungen unterstützt. Dennoch meinten viele, dass man zwar die Telekom, nicht aber die Post privatisieren solle. Und das war ein Punkt,wo ich mit Christian Schwarz-Schilling ganz einer Meinung war. Wenn man die Post in eine wettbewerbliche Rolle bringen und ihr Angebot verbessern wollte, konnte man sie nicht anders als die Telekom behandeln. Es wäre eine Herabsetzung nach dem Motto „Ihr seid sowieso marode und braucht Subventionen” gewesen.

 Postforum:  Aber es ging dann ohne Sie als SPD-Verhandlungsführer weiter. Was war da im Dezember 1992 passiert?

Börnsen: Mein Konflikt mit dem Ausschussvorsitzenden Peter Paterna hatte sich so verschärft und die Gemengelage in der SPD war so unüberschaubar, dass Hans-Ulrich Klose uns beide zu sich rief und uns - um es deutlich zu sagen - kaltstellte. Übernommen hat meine Aufgabe Hans Gottfried Bernrath, der dann großes Verhandlungsgeschick aufbrachte und das Gesetz und die Grundgesetzänderung 1994 in der letzten Sitzung der Legislaturperiode durchbrachte.

 Postforum:  Aber auch Sie, Herr Schwarz-Schilling, sind im Dezember 1992 als Minister ausgeschieden, weil Sie die Außen- und Menschenrechtspolitik der Regierung nicht mehr mittragen wollten. Haben Sie diesen Schritt im Nachhinein bereut?

Schwarz-Schilling: Natürlich ist es mir schwer gefallen, in dieser Aufbruchsituation von Post und Telekommunikation zu gehen. Aber zu diesem Zeitpunkt gab es das Eckpunktepapier, was das Verhandlungsergebnis der Gespräche der Regierungsfraktionen mit der SPD beinhaltete und in dem der Konsens mit der SPD für die Grundgesetzänderungen bereits festgehalten war. Ich hatte das Gefühl, dass insofern die wichtigsten Entscheidungen für die Fortsetzung der Postreform verabschiedet waren und ich meinen Beitrag dazu durch die Verhandlungsführung der Regierungsfraktionen mit der Opposition bereits geleistet hatte.

Börnsen: Dein Rückritt hat in der Tat in der SPD zu erheblichen Irritationen geführt. Ich hatte sogar Sorge, dass bei uns noch alles den Bach hinunter gehen könnte. Immerhin waren noch 2 Jahre Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode, und die wurden dann gut genutzt. Man darf dabei nicht übersehen, dass die SPD damals das erste Mal überhaupt eine Entscheidung gegen den ausdrücklichen Wunsch einer Gewerkschaft getroffen hat.

Das hatte Kurt van Haaren auch seinem Auftritt in der SPD-Fraktion zu verdanken, bei dem er zulange redete und nicht auf den Punkt kam, sodass alle ungeduldig wurden. Das Ergebnis war auch einer der Gründe, weshalb es heute die Deutsche Postgewerkschaft nicht mehr als eigenständige Organisation gibt. Wir haben damals aber auch ein günstiges Zeitfenster genutzt. Ich weiß nicht, ob so etwas heute noch so einfach gehen würde, wo wir eine Gegenwelle erleben, etwa bei der Re-Kommunalisierung von Betrieben.

Hier ein Auszug aus dem Plenarprotokoll 11/94 des Deutschen Bundestags, 94. Sitzung Bonn, Donnerstag, 22. September 1988: Seiten 6376 - 6406: 1. Beratung des Poststrukturgesetzes

Im Download finden Sie folgende Dokumente:

Nachfolgend ein Auszug aus dem Plenarprotokoll 11/137 des Deutschen Bundestags, 137. Sitzung Bonn, Donnerstag, 20. April 1989: Seiten 10051 - 10090: 2. und 3. Beratung des Poststrukturgesetzes

Zum Download finden Sie hier:

BT-Protokoll









































Es folgt ein Auszug aus dem Plenarprotokoll 12/28 des Deutschen Bundestags, 28. Sitzung Bonn, Donnerstag, 6. Juni 1991: Anlage 4, Seiten 2192 - 2198: Zu Protokoll gegebene Reden zu Einzelplan 13 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation - u.a. die im Interview erwähnte Börnsen-Rede.

Download des gesamten Protokolls 12/28

Nachfolgend ein Auszug aus dem Plenarprotokoll 12/208 des Deutschen Bundestags, 208. Sitzung Bonn, Donnerstag, 3. Februar 1994: Seiten 17922 - 17945: 1. Beratung der Entwürfe eines Gesetzs zur Änderung des Grundgesetzes, eines Gesetzs zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (PTNeuOG), eines Gesetzes zur Änderung des Postverfassungsgesetzes und des Antrags der Gruppe PDS/Linke Liste zur Reform der Deutschen Bundespost

Zum Download finden Sie hier:

Im Folgenden ein Auszug aus dem Plenarprotokoll 12/237 der Sitzung des Deutschen Bundestages vom Mittwoch, 29. Juni 1994, Seiten 20804 - 20830:
a) 2. und 3. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes - Drucksachen 12/6717, 12/7269, 12/8108 -
b) 2. und 3. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz) - Drucksachen 12/6718, 12/7270 -,
2. und 3. Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Postverfassungsgesetzes - Drucksachen 12/4329, 12/8060, 12/8129 -,
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Ilja Seifert und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Reform der Deutschen Bundespost - Drucksachen 12/6635, 12/8060 -.

Download für folgende Dokumente finden Sie hier: