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Post und Telekommunikation

Der Gastbeitrag

Den folgenden Beitrag von Dr. Heribert R. Brennig hat die Deutsche Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte e.V. in ihrem Magazin „Post- und Telekommunikationsgeschichte”, Heft 2/1995, veröffentlicht. Mit freundlicher Zustimmung des Autors wird er Teil dieser Chronik.

Zum Autor:
Dr. Heribert R. Brennig kam 1990 zur Deutschen Bundespost TELEKOM - heute: Deutsche Telekom AG - und arbeitet seither im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. (Stand: 2010)

Der folgende Text wurde der seit 1. August 2006 in Kraft getretenen Neuregelung der deutschen Rechtschreibung angepasst, wie sie der Rat für deutsche Rechtschreibung vorgeschlagen und die Kultusministerkonferenz bestätigt hat.

Von der Deutschen Bundespost TELEKOM zur Deutschen Telekom AG

von Heribert R. Brennig

Die Gründe für den Wandel

Πάντα ρει - Panta rhei: alles fließt, alles unterliegt dem Wandel. Würde der griechische Philosoph Heraklit, dem dieser Ausspruch zugeschrieben wird und der um 500 vor Christus lebte, heute noch einmal die Welt betrachten und über ihren Lauf nachdenken, müßte er feststellen, dass seine Erkenntnis nichts von ihrer Gültigkeit verloren hätte. Im Gegenteil: Er würde bemerken, dass sie aktueller ist denn je.

Es gibt kaum eine Ebene in Kultur, Wirtschaft oder Gesellschaft, die nicht von der Dynamik des Wandels betroffen ist. In ganz besonderer Weise aber ist es die Telekommunikation, die im Laufe der letzten Jahre zu einer der wesentlichen Schlüsseltechnologien für moderne, hochleistungsfähige Volkswirtschaften geworden ist. Sie ist der Motor des Fortschritts und hat sich zu einem Schwungrad entwickelt, das den Übergang zur Informationsgesellschaft antreibt. Ihre Bedeutung wird zunehmen, denn da der Informationsbedarf der Welt sich dramatisch vermehrt und immer leistungsfähigere Transportwege für den Informationstransfer gefordert sind, wird sie die Basistechnologie des 21. Jahrhunderts sein.

Es liegt auf der Hand, dass mit den Strukturen und Verhaltensweisen der Vergangenheit die Anforderungen der Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft nicht gemeistert werden können. Eine Organisation, die sich dem Neuen verschließt und der Zukunft verweigert, zerbricht. Die Zeit, in der nationale Monopolanbieter mit der größten Maschine der Welt den Telefondienst als standardisierten Massendienst betrieben, in der das Versorgungsdenken im Vordergrund stand, die Entwicklung technologiegetrieben war und sich nicht an den Wünschen der Kunden orientierte, ist definitiv vorbei.

Zudem ist es eine alte Erfahrung, daß die Wirtschaft dort am besten gedeiht, wo der Staat weitestgehend darauf verzichtet, sich konkret in ihre Abläufe einzumischen. Erfahrungen in anderen Ländern haben gezeigt, dass diese Tatsache auch auf dem Telekommunikationsmarkt eine unbezweifelbare Gültigkeit besitzt. Kunden und Märkte entwickeln sich zu den treibenden Kräften in der Telekommunikationsindustrie und machen ein neues Denken und Handeln erforderlich.

Die Postreform I tritt 1989 in Kraft

Vor diesem Hintergrund war die Postreform I, die am 1. Juni 1989 in Kraft getreten ist, ein richtiger, zukunftsweisender Schritt. Sie trennte die 3 traditionellen Einheiten der Deutschen Bundespost - Postdienst, Postbank und Telekommunikation - und machte aus ihnen jeweils eigenständige staatliche Unternehmen. Neben dieser Trennung erweiterte und liberalisierte die Reform die Wettbewerbsbereiche auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt.

Nur das Netz- und Sprachdienstmonopol verblieben im Bereich der Deutschen Bundespost TELEKOM. Alle anderen Felder, wie zum Beispiel Mobilfunk, Satellitenkommunikation, Datenübertragung, Mehrwertdienste oder Endgeräte wurden liberalisiert und für den Wettbewerb geöffnet. Schnell hat sich gezeigt, daß mehr Wettbewerb die Nachfrage stimuliert. Auch die Deutsche Bundespost TELEKOM hat davon profitiert: Der Markt für Endgeräte wuchs nach der Liberalisierung vom 1.7.1990 kräftig an, und für den Bereich des Mobilfunks begann mit dem Wettbewerb eine Erfolgsstory ohnegleichen.

Die Postreform I schuf die maßgebliche Voraussetzung dafür, die internationale Ausrichtung des Unternehmens zu betreiben. In einer Zeit, in der multinationale Unternehmen grenzüberschreitend tätig werden, konnte auch der Aktionsradius der Deutschen Bundespost nicht an den nationalen Grenzen enden. Deshalb wurde damit begonnen, Büros oder Tochtergesellschaften in den wichtigsten Städten der Welt einzurichten, deren Aufgabe es war, deutsche Kunden im Ausland zu betreuen, und ausländische Kunden für die Deutsche Bundespost TELEKOM zu gewinnen. Aber nicht nur die Handlungsspielräume und der Aktionsradius erweiterten sich, auch im Denken öffneten sich neue Horizonte.

Denken und Handeln verändern sich

Der Wandlungsprozess von einer verwaltungsorientierten Behörde zum markt- und kundenorientierten Unternehmen musste nicht nur organisatorisch, sondern auch in den Köpfen und Herzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgenommen werden. Aus Verwaltern sollten Unternehmer werden, die es verstanden, nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu handeln.

Die Wünsche der Kunden zu erkennen, die Qualität des Services zu verbessern und kundenfreundliches Verhalten zu entwickeln, dies waren Anforderungen, denen sich die Angehörigen des Unternehmens - neben den aktuellen Herausforderungen des Arbeitsalitags - zu stellen hatten. Und die Deutsche Telekom war auf vielen Feldern gefordert. Eine Vielzahl von erfolgreich in Angriff genommenen oder durchgeführten Maßnahmen hat es ermöglicht, dass sich die Deutsche Bundespost TELEKOM relativ rasch von einer traditionellen Postverwaltung mit der Organisation einer Behörde zum wettbewerbsfähigen High-Tech-Anbieter gewandelt hat.

Die Reorganisation des Unternehmens - eine der größten in der deutschen Wirtschaftsgeschichte - ersetzte die bisherige, rein technisch-funktionale und zentralistisch ausgerichtete Organisationsstruktur nach dem Prinzip der konsequenten Markt- und Kundenorientierung. Die Neugliederung in Kunden-, Technik- und Querschnittsbereiche, die Dezentralisierung, Divisionalisierung und die Delegation von Verantwortung haben alle die Bedürfnisse des Kunden im Blick: Er steht am Anfang aller Überlegungen. Ein neues Servicekonzept, eine verbesserte Logistik, die Einführung einer konsequenten Finanzwirtschaft, eines effizienten Controllings und moderner Instrumente des Rechnungswesens ermöglichen es, das Unternehmen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen.

Da die Qualität ein zentraler Faktor für den Erfolg eines Dienstleistungsunternehmens ist, wurde ein neues Qualitätsmanagement eingeführt, das nicht nur die reine Produktqualität sondern die umfassende Erfüllung der Kundenbedürfnisse im Fokus hat. „Die Zufriedenheit unserer Kunden ist für uns Verpflichtung” lautet denn auch einer der im August 1992 verabschiedeten Unternehmensgrundsätze. Günstigere Tarife und die weitere Aussicht auf Tarifsenkungen, eine Neubewertung und Verstärkung der Aktivitäten im Bereich von Forschung und Entwicklung oder auch die Gründung von Tochtergesellschaften, die als kleinere, überschaubarere und flexiblerere Unternehmenseinheiten, dank flacherer Hierarchien und kürzerer Entscheidungswege wesentlich rascher und präziser auf Veränderungen des Marktes reagieren und näher am Kunden operieren können, haben dazu beigetragen, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen.

Die alte „Deutsche Bundespost TELEKOM” wandelte sich zu einem modernen, leistungsfähigen Konzern, der daran ging, seine Stellung auf dem nationalen Markt zu behaupten und seine internationale Position zu sichern und auszubauen. Internationale Allianzen und Joint Ventures, mit starken Partnern abgeschlossen, sollten das internationale Gewicht der Deutschen Bundespost TELEKOM erhöhen.

Die Bilanz nach 5 Jahren „Deutsche Bundespost TELEKOM” ist positiv

Das Geschäftsjahr 1994 schloss die erste Phase des Entwicklungsprozesses von der Behörde zu einem erfolgreich am Markt operierenden Unternehmen ab, und eine positive Bilanz beendete das Kapitel „Deutsche Bundespost TELEKOM”, das mit der Postreform I im Jahre 1989 begonnen hatte. Der Konzernumsatz stieg in diesem Zeitraum von 38 Milliarden DM (1989) um 65 Prozent auf 64 Milliarden (1994), was das Unternehmen zum umsatzstärksten europäischen und weltweit zweitgrößten Netzebetreiber machte.

Mehr als 20 neue Dienste wurden seit 1989 eingeführt und bestehende Dienste saniert. In den neuen Bundesländern hat das Unternehmen es geschafft, aus einer technisch völlig veralteten und hoffnungslos unterdimensionierten Telekommunikationsinfrastruktur eine Infrastruktur aufzubauen, die zu den leistungsfähigsten und modernsten der Welt gehört. Zwischen 1990 und 1994 erhielten in Ostdeutschland allein 3,5 Millionen Kunden einen Telefonanschluss. Die Herausforderungen in den neuen Bundesländern haben einerseits zu einem enormen Zuwachs an Know-how in Umbau und Erneuerung maroder Telekommunikationsnetze geführt, die die Deutsche Bundespost TELEKOM zu einem begehrten Partner in Osteuropa machten. Andererseits haben sie erhebliche Ressourcen gebunden, was für die Väter der Postreform I nicht voraussehbar war.

Dennoch: Der Handlungsspielraum des Staatsunternehmens erweist sich als zu gering

Die Postreform I aus dem Jahre 1989 hat richtungsweisende Weichen gestellt. Hinter ihr stand die zutreffende Erkenntnis, dass für unsere Industriegesellschaft vielfältige und hochmoderne Telekommunikationsdienstleistungen unverzichtbar sind, und die Einsicht, dass eine Staatsbehörde, die eher auf politische Vorgaben als auf Verbraucherwünsche und -ansprüche reagiert, den immer rascher steigenden Anforderungen nicht länger gewachsen war. Zudem sollte der Geschäftsbetrieb der Telekom von politischer Einflussnahme weitgehend freigestellt werden. Aber die Telekom blieb ein öffentliches Unternehmen im Eigentum des Staates.

Zwar stand dem Management seither ein erweiterter Entscheidungsspielraum zur Verfügung, der in der beschriebenen Weise genutzt werden konnte. Gleichwohl wurde sehr bald klar, dass dieser angesichts des sich dynamisch entwickelnden nationalen und internationalen Umfeldes keinesfalls genügte. Denn nicht nur die unerwartete Dynamik der deutschen Wiedervereinigung, die enorme materielle und personelle Kräfte band, sondern auch die europäische Entwicklung verlangte neue Antworten und schuf neue, interessante Perspektiven.

1993 wurde der europäische Binnenmarkt realisiert. Auch im Bereich der Telekommunikation müssen die Grenzen in naher Zukunft fallen. Ein gemeinschaftsweiter Markt für Telekommunikationsgeräte und Telekommunikationsdienstleistungen, in dem einheitliche technische Standards und die gleichen Chancen und Wettbewerbsbedingungen für alle Telekommunikationsunternehmen bestehen, das ist ein wichtiges Ziel der europäischen Gemeinschaft.

Wird er dauerhaft und umfassend Wirklichkeit, werden alle - die Unternehmen, die Telekommunikationsindustrie und die Kunden - davon profitieren: Den Unternehmen werden durch erweiterte Beschaffungsmöglichkeiten Kostensenkungspotenziale eröffnet, das Absatzgebiet der Telekommunikationsindustrie vergrößert sich und die Kunden werden von günstigeren Tarifen profitieren. Die Entwicklung und Durchsetzung eines einheitlichen europäischen GSM-Standards, der es Millionen von Menschen ermöglicht, grenzüberschreitend mobil, digital und kostengünstig zu telefonieren, ist ein ebenso beeindruckendes Beispiel für die Vorteile eines europäischen Binnenmarktes wie die Entwicklung und Einführung des Euro-ISDN.

Der europäische Binnenmarkt wird aber nur dann dauerhaft funktionieren, wenn in allen Ländern der Gemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt auch die letzten Monopole gefallen sind. Wann das sein wird ist mittlerweile definiert: Ab 1998 gelten im Bereich der Telekommunikation europaweit die Regeln des freien Marktes.

Die Postreform II wird unumgänglich

Starke nationale und mächtige internationale Wettbewerber werden sich in Deutschland engagieren und mit harten Bandagen darum kämpfen, größere Marktanteile zu erringen. Würde die Telekom das Gleiche nicht auch im Ausland tun, würde sie innerhalb kürzester Zeit in der Bedeutungslosigkeit versinken. Das würde nicht nur fatale Folgen für die Beschäftigten des Unternehmens nach sich ziehen, sondern wäre auch verheerend für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Voraussetzung für ein erfolgreiches Engagement auf dem internationalen, globalen Terrain ist eine gesicherte rechtliche und eine solide finanzielle Basis. Sie aber bestand bis zum Ende des Jahres 1994 nicht. Zum einen war es der Deutschen Bundespost TELEKOM gesetzlich bis dahin verboten, im Ausland Netze zu betreiben oder zu errichten. Und da zum anderen zwischen 1989 und 1994 rund 120 Milliarden DM investiert worden sind - davon rund 80 Milliarden DM in den neuen Bundesländern -, zusätzlich 12 Milliarden DM Verlustausgleich an die Schwesterunternehmen und 24 Milliarden DM Ablieferungen an den Bund zu leisten waren, bewegte sich die Eigenkapitalbasis kontinuierlich in Richtung 20 Prozent - und erreichte eine kritische Marge.

Die Erfüllung der nationalen Aufgaben und die Umsetzung der internationalen Ambitionen ließen es unverzichtbar werden, die Kapitalbasis der Deutschen Bundespost TELEKOM zu verbessern. Deshalb stand für alle Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik bereits seit Langem fest, daß auf die 1. Postreform eine 2. Postreform folgen mußte.

Die Freiheit von staatlicher Bevormundung, die Ablösung der alten Abgabepflicht durch eine Besteuerung wie sie Wirtschaftsunternehmen üblicherweise unterliegen, die Befreiung von Restriktionen im internationalen Engagement und die Möglichkeit, die Eigenkapitalbasis durch den Gang an die Börse zu verbessern, waren gute Gründe, das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Zu Beginn des Jahres 1995 ist dies geschehen.

Die Privatisierung der Telekom ist einer freiheitlich-demokratisch verfassten Gesellschaft angemessen

Nicht nur für das Unternehmen selbst, auch für die Gesellschaft, für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für die demokratische Verfassung unseres Landes ist die Privatisierung der Telekom ein Erfolg. Wer sich der Mühe unterziehen will, den Gründen nachzuspüren, die dafür ausschlaggebend sind, dass das Fernmeldewesen traditionell in staatlicher Hand gelegen hat, dem sei ein Blick in die Geschichtsbücher empfohlen: Lange Zeit war das Fernmeldewesen von einer überragenden militärstrategischen Bedeutung, die gegenüber der privaten und gewerblichen Nutzung eine ganz andere Priorität hatte als heute. Zudem hatten die Staaten der Vergangenheit, zum Beispiel das autoritäre Kaiserreich, das totalitäre Dritte Reich oder das Regime der ehemaligen DDR ein erhebliches Interesse daran, die Nachrichtenübertragung unter Kontrolle zu halten. Beide Ursachen sollten nach dem Ende des Kalten Krieges auf einem Kontinent, der zusammenwächst, und in einer Welt, die zum globalen Dorf zusammenrückt, endgültig der Vergangenheit angehören. Und deswegen passt eine privatisierte Telekom am besten in unser demokratisches, wiedervereinigtes Land.

Die Deutsche Telekom AG ist bestens gerüstet für den Aufbruch in das neue Millennium. Ein neuer Abschnitt beginnt, der neue Chancen eröffnet und neue Herausforderungen bringt. Ich bin davon überzeugt, daß dieser fundamentale Wandel richtig und notwendig war. Wer das Neue begrüßt, muss die Vergangenheit nicht verleugnen. Alle Beschäftigten des Unternehmens und sein Management können mit Stolz auf eine Geschichte verweisen, die mehr als 500 Jahre umfasst. Wagemut, Entdeckerfreude, Weltoffenheit und Toleranz, das sind einige beispielhafte Tugenden, die eine wesentliche Rolle in der langen und erfolgreichen Geschichte der Post gespielt haben. Ich erinnere mich an das alte japanische Sprichwort: „Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme am Brennen zu halten.” In diesem Sinne ist es leicht, an der Gestaltung der Zukunft zu arbeiten und sich gleichzeitig mit Stolz zu den Leistungen der Vergangenheit zu bekennen.