Das folgende Beitrag war in der Zeitschrift der Deutschen Post DHL POSTFORUM, Ausgabe Dezember 2015/Januar 2015, veröffentlicht. Mit freundlicher Zustimmung der Redaktion - Alexander Rometsch-Steinmann - bereichert der Beitrag diese Dokumentation.
Nachdem am 9. November 1989 die Mauer gefallen war, machten Hunderttausende, die in den Westen strömten, um sich einfach mal umzuschauen, das erste Mal Bekanntschaft mit der Deutschen Bundespost. Denn die Postämter übernahmen zum großen Teil die Auszahlung der Begrüßungsgelder. Über 400 Millionen DM wurden in den wenigen Wochen 1989 ausgezahlt. Dabei war viel Improvisation gefragt, damit es nicht zum Chaos kam. Der größte Andrang herrschte im Postamt neben dem Bahnhof Zoo. Als an einem der ersten Wochenenden die Geldreserven knapp wurden, sammelten Postbeamte in den Kaufhäusern am Ku'damm die D-Mark wieder ein, die von den Besuchern in die Kassen geflossen waren, um sie erneut auszuzahlen.
Dennoch dachten in den ersten Tagen nur wenige daran, dass die Wiedervereinigung schon nah sein könnte. Selbst als Bundeskanzler Helmut Kohl am 28, November seine „10 Schritte zur Wiedervereinigung” im Bundestag vortrug, war zwar die Richtung vorgezeichnet, aber noch ging es nur um „konföderative Strukturen” und eine „Vertragsgemeinschaft”. Der damalige Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling indes dachte damals schon weiter und streckte die Fühler nach Ost-Berlin aus. So kam es am 12. Dezember zu einer Begegnung mit seinem DDR-Kollegen Klaus Wolf. Dieser Startschuss zum Prozess einer Wiedervereinigung der beiden Postdienste fand allerdings nicht in Berlin, sondern im Universitätshochhaus von Leipzig statt. Bereits am 25. Januar 1990 konstituierte sich eine deutsch-deutsche Regierungskommission Post/Fernmeldewesen.
Ost-Post viel mit Kontrolle beschäftigt
Dabei war eine Menge aufzuarbeiten. Denn der Bereich Post und Telekommunikation hatte sich seit der Bildung der beiden deutschen Staaten 1949 auseinander entwickelt. Hier wie dort hatte der Krieg zerstörte Infrastrukturen hinterlassen, doch es gelang der Bundespost sehr viel schneller als der Deutschen Post der DDR, moderne Infrastrukturen zu schaffen. Auch wenn die klassischen Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ähnlich waren, kam in der DDR eine Aufgabe hinzu, die fast die Hälfte der Postler beschäftigte: der Postzeitungsvertrieb. Der SED-Staat wollte so kontrollieren und regulieren, was der Bürger zu lesen bekam und was nicht. Es gab eine Presseliste, aus der man bestellen konnte. Ein spektakulärer Vorgang in der Endphase der DDR, der viele Bürger aufbrachte, war die Streichung der beliebten sowjetischen Zeitschrift „Sputnik”. Dort war der DDR-Führung zu viel von Glasnost und Perestroika die Rede.
Noch gravierender aber war die Postkontrolle, für die ein ungeheurer Aufwand betrieben wurde. Briefe wurden von Zoll und Stasi (nicht von Postmitarbeitern) geöffnet, „Westpakete” verschwanden und ihr Inhalt wurde gegen Devisen verkauft. Das war auch deshalb eine Frechheit, weil Bonn seit 1970 wegen der größeren Sendungsmengen gen Osten eine „Postpauschale” nach Ost-Berlin überwiesen hatte und es seit 1976 ein Postabkommen gab, das den Verkehr von Briefen und Paketen sicherstellen sollte. Die Devisen aus dem Westen flossen allerdings in den Staatshaushalt der DDR und kamen der Post-Infrastruktur gar nicht zugute. Die aber war mehr und mehr heruntergekommen. Das galt für Gebäude wie für Fahrzeuge, die kaum noch erneuert wurden. Bei der geringen Investitionsquote hätte es rund 100 Jahre gedauert, bis der gesamte Fahrzeugpark ausgetauscht worden wäre. Die Verhandlungen vom 25. Januar widmeten sich nicht zuletzt solchen Problemen, zumal angesichts offener Grenzen der Postverkehr erheblich zugenommen hatte.
Vor dem Bundesministerium für Post und Telekommunikation in Bonn
wehen am 25. Februar 1990 auf halbmast (v.r.) Bundespostflagge, Bundesdienstflagge, Staatsflagge der DDR,
Anlass: Tod Herbert Wehner, zeitgleich Besuch des DDR-Postministers Dr. Klaus Wolf
beim Bundesminister für Post und Telekommunikation Dr. Christian Schwarz-Schilling
Foto: Albert Pfriem
Versandhandel - Westpakete für alle
Versandhauskataloge waren auf einmal im Osten der große Hit, und bald folgten die Bestellungen. In den ersten Monaten des Jahres 1990 stellte die Bundespost dem DDR-Postdienst rund 5.000 Kraftfahrzeuge zur Verfügung, damit der anwachsende Postverkehr bewältigt werden konnte. Die Fahrzeuge behielten zwar das Postemblem (West), bekamen aber neue Nummernschilder (Ost). Die nun mögliche Einführung der Hauszustellung bei Paketen (vorher mussten sie bei den Ausgabestellen abgeholt werden) führte dazu, dass rund 5.000 Zustellerinnen und Zusteller im Schnellverfahren Führerscheinprüfungen machen mussten. Zur gleichen Zeit entstanden spontan rund 400 Partnerschaften zwischen einzelnen Ämtern in Ost und West. Ausgemusterte aber voll funktionsfähige Posträder, Zustellkarren, Rollbehälter und Taschen wechselten den Besitzer. Postämter in den grenznahen Bereichen organisierten anfangs eine Art „kleinen Postverkehr”. Zahleiche Postbeamte aus dem Westen halfen beim Aufbau einer modernen Infrastruktur. Der Einsatz war attraktiv: Die monatliche „Buschzulage”, wie man im Volksmund sagte, wurde auf das Gehalt aufgeschlagen und der Einsatz im Osten versprach zudem eine schnellere Karriere.
Zielvereinbarung über Postunion
Vom 7. bis 9. Februar 1990 tagte die Arbeitsgruppe Postverkehr erstmals. Es wurde vereinbart, die Dienstleistungen und Produkte anzupassen. Am 13. März 1990 kam es zu einer Zielvereinbarung über eine Postunion und Einsetzung von Expertenkommissionen. Schwarz-Schilling und Wolf trafen sich noch einmal auf der letzten Leipziger Frühjahrsmesse (Foto rechts), 5 Tage später hatte das Volk die Regierung Modrow abgewählt. Als am 1. Juli 1990 die Währungsunion in Kraft trat, kam es zeitgleich zur Zusammenführung der Sondervermögen beider Postdienste. Es erfolgte eine Eröffnungsbilanz in D-Mark. Am 31. August 1990, also schon vor der staatlichen Einigung, war die Postunion vollzogen. In der Zwischenphase durften Briefe im Westen auch mit Ost-Postwertzeichen frankiert werden. So tauchten rund 50.000 mit Dauerwertzeichen frankierte Briefe auf die das Porträt von Walter Ulbricht zeigten.
Weichenstellung auf der letzten Leipziger Frühjahrsmesse:
In der Mitte (von links) die Postminister Klaus Wolf (Ost) und Christian Schwarz-Schilling (West)
auf dem Titelblatt der DDR-Postzeitschrift.
Für die Deutsche Bundespost POSTDIENST wuchs mit der Vereinigung das Versorgungsgebiet um 44 Prozent, die Zahl der Kunden um 26 Prozent, die Zahl der Filialen um 68 Prozent und die der Beschäftigten um 30 Prozent. Unvermeidbar war allerdings ein Personalabbau. Mit Vorruhestandsregelungen und Abfindungen gelang es, den Personalbestand bis Anfang 1992 von knapp 80.000 auf 67.000 abzuschmelzen und dabei lediglich 300 Kündigungen auszusprechen. Das Aus kam auch für 140 ehemalige Stasi-Leute aus der Zoll- und Postkontrolle, die versucht hatten, ganz schnell noch bei der Post unterzuschlüpfen. Auf der Seite der Arbeitnehmervertretung organisierten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Wiedervereinigung selbst: Die meisten Mitglieder der Postgewerkschaft Ost folgen dem Appell der Deutschen Postgewerkschaft (West) zum Übertritt.
Es folgten noch 2 weitere Etappen, ehe die Post-Wiedervereinigung perfekt war: Am 1. Juli 1991 traten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch im Osten in Kraft, und 2 Jahre später beendeten die neuen 5-stelligen Postleitzahlen ein Provisorium: Weil es viele Doubletten gab (so stand „5300” sowohl für Bonn wie für Weimar), musste vorübergehend der Postleitzahl ein „W” oder ein „O” vorangestellt werden.
Am Ende hat es sich als richtig erwiesen, dass Schwarz-Schilling und der gerade ins Amt gekommene erste Vorstandschef des neuen Unternehmens Deutsche Bundespost POSTDIENST, Klaus Zumwinkel, auf rasche Unternehmensfusion drängten.
Zum Thema siehe auch den Beitrag von Franz Schöll „Die Vereinigung der Postdienste der Deutschen Bundespost und der Deutschen Post” in der Reihe „Der Gastbeitrag” und in der Chronik „Allgemeines Januar bis Dezember 1989” den Abschnitt „Post- und Fernmeldebeziehungen zur DDR”
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